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Eurydike und Orpheus | ||
Der Zyklus EURYDIKE & ORPHEUS ist eine Arbeit von Stephanie Hecht, die in geplanten sieben Teilen zentrale Punkte des Mythos um Orpheus und Eurydike auf ganz unterschiedliche Weisen fokusiert. Wie bei einem Blick durch ein Mikroskop sollen so bisher ungesehene Aspekte und Zusammenhänge hinter der bloßen Erzählung freigelegt werden.Durch die Realisation in der Zusammenarbeit von Künstlern aus verschiedenen Kunstsparten spekuliert das Gesamtprojekt auf Ergebnisse, die solche neuen Erfahrungsräume ermöglichen. | Die interdisziplinäre Künstlergruppe sucht nach adäquaten Arbeitsweisen auf deren Grundlage eine ge-meinsame medienübergreifende künstlerische Form entsteht. Auf die in den einzelnen Stücken gemachten Erfahrungen baut die Arbeit am folgenden Mythosausschnitt auf. Am Ende werden alle Einzelaspekte wieder zusammengesetzt, so daß dann der ganze Mythos Inhalt sein wird und die Form die Essenz des Vorangegangenen. | |
EURYDIKE & ORPHEUS 1: EXTREME/BALANCENVon
und mit: Uraufführung: 18. April 1998, Studio Marenda, Fürth/Bayern "Extreme/Balancen"
war die erste Inszenierung des Eurydike-und-Orpheus-Zyklus und fand als 30-minütige
Performance im April 1998 in Fürth/Bayern statt. Der Performance lag ein
Gedanke zugrunde, der so im klassisch-griechischen Mythos nicht enthalten ist,
jedoch im Vergleich mit andere Mythen na-heliegt, nämlich daß Eurydike
einst universelle Muttergöttin war, die im Sinne des asiatischen Yin und
Yang noch alle Aspekte menschlichen Lebens verkörperte. "Wie an einem gespannten Seil, das sie zugleich verbindet und trennt, gehen Barbara Kastura und Stephanie Hecht, einander zugewandt, um eine imaginäre Mitte. Die eine weint, die andere lacht, und beinahe unmerklich und abhängig voneinander wechseln sie die Rollen, bis die Emotionen schließlich genau umgekehrt verteilt sind. Es ist das eindrücklichste Bild und zugleich die themengerechte Klimax der Performance "Extreme/Balancen" im Fürther Fotostudio Heiko Marendas. Musikalisch behutsam begleitet und unterstützt von Nahan Nik-jooyfard - an charakterlich entgegengesetzten Blas- und Schlaginstrumenten -, interagieren die Sängerin/Malerin und die Schauspielerin zwanzig Minuten lang fast ohne Worte in spannungsgeladenen Gegensätzen." Gert Fürstenberger, Fürther Nachrichten 22.4.1998 | ||
EURYDIKE & ORPHEUS 2: DER SCHLANGENBISS IM GRASKonzeption
und künstlerische Leitung: Mit: Astrid Busch, Bernd Küppers, Ines Johnson-Spain, Eva Silhavy, Julia Kleiner, Gabriele Barth, Frank Fiedler, Matthias Gassert, Stepha-nie Hecht, Stefan Streich, Vera von Wilcken, Matthias Biermann, Sabine Döring, Steffen Motzkus, Robin Hayward, Axel Dörner, Sabine Zimmermann u.v.a. Uraufführung: 29. August 1998, Volkspark Prenzlauer Berg, Berlin (Dauer ca. 3 Stunden) Dieser Aspekt des Mythos wurde als Sturz der Muttergöttin und gleichzeitigen Beginn dualistischen Denkens interpretiert.. Die 3-stündige open-air Performance mit 20 Künstlern aus unterschiedlichen Bereichen bewegte sich fließend zwischen archaischen Ritualen, neuer Musik und japanischer Kampfkunst. | ||
EURYDIKE
& ORPHEUS 3: DIE KLAGE DES ORPHEUS |
Von Stephanie Hecht und Stefan Streich
Uraufführung: 25. Juni 1999, Weitere Aufführungen: 26. & 27 Juni 1999
Kleiner Wasserspeicher Prenzlauer Berg, Berlin - im Rahmen des Kultursommer Prenzlauer Berg in Kooperation mit Förderband e.V.
TEIL
1: KONZERTANT VON STEFAN STREICH
Mit Bettina Junge (Flöte), Katrin
Vogel (Horn), Frank Fiedler, Matthias Gassert (Schlagzeug), Gabriele Barth, Ana
Carbia, Stephanie Hecht, Barbara Kastura, Jo Stone, Zuhal Toptas (Schlaginstrumente
& Stimme), Stefan Streich (CD-Zuspielung) (Dauer: ca. 30')
TEIL
2: THEATRAL VON STEPHANIE HECHT
Eurydike: Gabriele Barth, Ana Carbia,
Stephanie Hecht, Barbara Kastura, Jo Stone, Zuhal Toptas (Körper & Stimme),
Bettina Junge (Flöte), Katrin Vogel (Horn)
Orpheus: Frank Fiedler, Matthias
Gassert (Schlagzeug), Vera von Wilcken (Live-Video-Installation), Stefan Streich
(Licht) Dauer: ca. 45').
Kostüme: Michaela Barth / Lichttechnik: Michael
Bövers / Künstlerische Leitung: Stephanie Hecht und Stefan Streich
Eurydike ist an einem Schlangenbiß gestorben. Orpheus
klagt im Gesang. Der Gesang - die Kunst - gibt dem Schmerz über den Verlust
eine Form und schafft Distanz, wird so auch zum Spiegel und am Ende sogar zum
Mittel, den Herrscher der Unterwelt dazu zu bewegen Eurydike freizugeben.
DIE KLAGE DES ORPHEUS ist der Versuch einer Annäherung von Theater und Musik. Das Projekt folgt nicht in erster Linie einem narrativ dramatischen Verlauf, sondern stützt sich vor allem auf das konkrete gemeinsame Material der beiden Kunstformen, die zeit-räumlichen Prozesse.
Die angestrebte Annäherung von Musik
und Theater geschieht vor allem dadurch, daß die eine Kunstform Materialien
und Verfahrensweisen verwendet, die eher für die andere typisch sind:
Der konzertante Teil ist sehr streng konzeptuell angelegt und doch scheinen Verläufe
durch, die sich an dramatisch gedachte Prozesse anlehnen, ohne erzählerisch
oder programmatisch zu werden. Zusammen mit der räumlichen Situation und
der Beleuchtung erscheint hier eine theatrale, gar figürliche Komponente.
Der theatrale Teil ist stark durch musikalisch gedachte Klang-Zeit-Setzungen strukturiert,
also komponiert. Dort, wo es sinnvoll erschien wurden solche zeitproportionalen
Verfahren auch ins Visuelle und in die Veränderungen, die die einzelnen Figuren
durchlaufen, transferiert.
Integrale Bestandteile
der beiden Teile von DIE KLAGE DES ORPHEUS sind CD-Zuspielungen und eine sich
im theatralen Kontext verändernde Videoinstallation. Das Grundmaterial dieser
Ebenen sind Ton- und Bildaufzeichnungen, die bei der vorhergegangenen Performance
EURYDIKE & ORPHEUS 2: DER SCHLANGENBISS IM GRAS mitgeschnitten wurden.
"Die dritte Station "Die Klage des Orpheus" zeigte sich im Juni 1999 als raumbezogene, großangelegte Theater-Konzert-Videoinstallation im Kleinen Wasserspeicher, Berlin-Prenzlauer Berg. Eingebettet in die sehr spezielle Architektur und feucht-dunkle Stimmung des zwischen 1852 und 1856 erbauten unter-irdischen Raumes, entwickelte sich die Szenerie des trauernden Orpheus in sehr eigenwilligen Klängen und Bildern. Orpheus Erinnerungen und Projektionen zeigten eine vielschichtige und vielgesichtige Eurydike, die nicht nur selbst trauernd, verführe-risch, kämpfend und leidend, sondern auch verzerrt, wahnsin-nig und bedrohlich erschien." Mai Kluschke, Junge Kunst 40, 1999
Von
Stephanie Hecht
Uraufführung:
23. Juli 1999. Weitere Aufführungen: 24. & 25 Juli 1999
auf dem ehemaligen
Frachtschiff Kunstschiff Anna Berlin-Mitte
(Dauer: 81 Min.)
Eurydike:
Ana Carbia, Stephanie Hecht, Barbara Kastura, Julia Kleiner, Zuhal Toptas (Tanz
und Stimme)
Orpheus: Frank Fiedler, Matthias Gassert, Stefan Streich (Schlagzeug)
Charon: Vera von Wilcken (Stimme)
Videoinstallation: Vera von Wilcken
Musik: Stefan Streich
Künstlerische Leitung: Stephanie Hecht und
Stefan Streich
Eurydike ist an einem Schlangenbiß
gestorben. Orpheus versucht in die Unterwelt zu gelangen und die Geliebte zurückzuholen.
Der Totenfähr-mann Charon weigert sich jedoch Orpheus über den Fluß
Styx ins Reich der Toten zu bringen. Orpheus schläfert Charon durch seinen
Gesang ein und setzt unerlaubt über. Es gelingt ihm also mit Hilfe seiner
Kunst als Lebender den gleichen Weg zu gehen, den auch Eurydike ging.
Die Fahrt über den Totenfluß Styx ist ein mythologisches Bild für den Moment des Übergangs zwischen Leben und Tod; ein Zustand zwischen den Welten, nicht mehr richtig am einen Ort, aber auch noch nicht ganz angekommen am anderen: Wasser ist das bewegte Element und das Schiff ist der feste Boden unter den Füßen, der schwankt.
Die Reise verläuft in einem Zwischenbereich, in dem das eine Bein noch im Alten, das andere aber bereits im Neuen ist. So findet sich auch die Figur des Einbeinigen oder des Verschiedenfüßigen in vielen Kulturen als Bild dafür, zwischen den Welten zu stehen. Der christliche Teufel beispielsweise, mit seinem einen Pferdehuf stammt ursprünglich ebenfalls aus diesem mythischen Zwischenbereich.
Die Bewegung vom Leben zum Tod wird oft beschrieben als ein Prozeß, der in mehreren Stufen verläuft: Vom Verlust des körperlichen Kon-takts über die Auflösung des Verstandes und des Gefühls bis hin zur Leere, die sich einverstanden erklärt.
Eurydike und Orpheus gehen auf verschiedenen Wegen - sie als Tote "legal", er als Lebender "illegal" - in die selbe Richtung. Sie bewegen sich klar, aber nahezu unmerklich zwischen hell und dunkel, oben und unten, innen und außen, hinten und vorne, hören und sehen, gehen und stehen, nah und fern, Veränderung und Stillstand, Gleichzeitigkeit und Aufeinanderfolge, Gemachtem und Zufälligem.
"Die Darsteller agierten im Schiffsbauch und unterhalb des Wasserspiegels, in dem sich auch die Zuschauer aufhielten. Die Musiker befanden sich hörbar, aber unsichtbar, oberhalb der als Dach dienenden Plastikplane an der Reling. Da die Aufführung in der Abenddämmerung begann und in der Dunkelheit endete, trat die Theaterebene mit zunehmender Dunkelheit in den Hin-tergrund, während sich zeitgleich die Klangkomponente entfaltete." Mai Kluschke, Junge Kunst 40. 1999
"Konzertantes Theater/theatrales Konzert: Tänzerinnen, Schauspielerinnen, Musiker und Videobilder schaffen einen Raum, der sich dem mythologischen Bild des Totenflusses entsprechend ausschließlich in Zwischenbereichen aufhält. Der unmerkliche Prozeß der Abenddämmerung bildet dabei den grundlegenden Rahmen, so daß der Anfang den Charakter eines Tanz- und Sprechtheaters hat, und das Ende im Dunkeln den eines Konzertes." Zitty 15/99